«Schön ist es, wenn man für sein Land bis zum Umfallen kämpft»
Vier Schwyzer Freiheits-Trychler über Politik, den Stadt-Land-Graben, Frauen und Männer, die Natur und ihr Rezept gegen das Unglücklichsein.
Veröffentlicht in Die Weltwoche, 28. Juli 2021.
Sie sind die schellenden Freiheitskämpfer. Traditionell vertreiben sie die bösen Geister, heute lehnen sie sich gegen den Staat und das Corona-Regime auf. Sie tragen weisse Kutten und nennen sich «Freiheits-Trychler».
Cyrill Villiger, 32, von Lauerz in Schwyz, gelernter Netzelektriker, gehörte mit Christian Gwerder, 38, einem Landwirt aus dem Muotathal, zu den rund ein Dutzend Trychlern, die am 10. April in Altdorf zum Denkmal von Wilhelm Tell, ihrem Vorbild, durchdrangen – trotz Polizei mit Pfefferspray und Gummischrot.
Sie standen ein für Freiheit und die Schweiz. «Ich hatte Hühnerhaut», sagt der eine. «Mir kam das Augenwasser», erinnert sich der andere. Seither begleiten sie schallend die Corona-Demonstrationen, im Gleichschritt, für einen «schönen Schlag und lauten Klang».
Aus dem Brauchtum, das ihnen von den Vorfahren weitergegeben wurde, entwickelte sich auch für Daniel Schilter, 34, gelernter Metzger und Bauer aus Lauerz, ein politisches Instrument – «um ein Zeichen zu setzen».
Therese Mächler, 32, eine Pflegerin aus Siebnen, war die erste Freiheits-Trychlerin, die mit den Schellen ihren Unmut kundtat. «Wir lassen uns nicht bieten, dass man uns vogtet», sagt sie. Mittlerweile äussern rund fünfzig Menschen trychlend ihre Meinung, der Verein zählt mehr als zweihundert Mitglieder.
Zusammen sitzen die vier Schwyzer Freiheits-Trychler in einer Muotathaler Alphütte, trinken Kaffee mit Schnaps, rauchen krumme Zigarren. Draussen tobt das Wetter, als fiele uns der Himmel auf den Kopf. Nur die Glocken der Kühe, kleine Trychlen, bimmeln hell.
Weltwoche: Unsere Ausgabe dreht sich um die verrückte Welt, in der wir leben. Wie beurteilen Sie die Grosswetterlage in der Schweiz?
Daniel Schilter: Nicht gut. Viele wissen gar nicht mehr, was sie überhaupt dürfen. Frei sein, seine Meinung frei äussern, ohne diskriminiert zu werden, das geht heute alles nicht mehr.
Weltwoche: Wo brennt es hierzulande?
Cyrill Villiger: Das Hauptproblem ist der Opportunismus. Die Leute machen bei allem mit, weil es bequem ist: Sie ziehen etwa Masken an, nur damit sie keinen Ärger haben. Schlimm!
Christian Gwerder: Ja, am meisten stören die Masken, sogar Kinder werden damit geplagt. Und dann der faktische Impfzwang: Das geht in Richtung Freiheitsentzug.
Weltwoche: Seit eineinhalb Jahren steuern wir durch die Corona-Pandemie: Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis aus dieser Zeit?
Villiger: Persönlich fühle ich mich viel freier als je zuvor: Ich weiss, ich kann auch ohne Maske rumlaufen, und ich weiss, ich kann etwas bewirken, wenn ich hinstehe und mein Gesicht zeige.
Therese Mächler: Ich fühle mich mutiger. Wer mir vor fünf Jahren gesagt hätte, ich stünde mal vor Polizisten in Vollmontur, den hätte ich ausgelacht. Heute laufe ich durch sie durch und denke mir: «So, und jetzt weiter!»
Weltwoche: Wenn Sie die Leistung des Bundesrates beurteilen müssten, was für eine Note gäben Sie ihm?
Villiger: Eine Zwei.
Mächler: Ich wäre beim Einer . . .
Schilter: Von mir kriegen sie ein «besucht».
Weltwoche: Und wie denken Sie über die Bevölkerung? Enttäuscht es Sie, dass sich der freie Schweizer etwa einsperren liess?
Mächler: Ja, das ist unglaublich! Ich dachte immer, in Asien spinnen sie mit ihren Masken, und jetzt laufen bei uns alle so rum. Und sie lassen sich widerstandslos eine experimentelle Impfung spritzen.
Weltwoche: Woher kommt Ihre Impfallergie?
Mächler: Wir wurden früher durchgeimpft, meine Tochter habe ich nicht impfen lassen. Diana ist heute zwölf Jahre alt und kerngesund.
Villiger: Ich würde mich sofort impfen lassen – auch gegen Corona. Wenn es mich vor einer gefährlichen Krankheit schützen und der Impfstoffhersteller für Nebenwirkungen die Verantwortung übernehmen würde; und wenn die Impfstoffe in der Normalzulassung getestet worden wären. Dann sofort! Aber das trifft halt alles nicht zu.
Weltwoche: Ganz generell: Ist das noch eine gute Schweiz, in der wir leben?
Gwerder: Eigentlich schon. Aber wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft. Wir gehen nur noch den Weg des geringsten Widerstands, leider.
Villiger: Ich weiss nicht, wie gut diese Schweiz noch ist. Warum wandern denn jährlich so viele Schweizer aus?
Weltwoche: Was müsste passieren, damit Sie auswandern würden?
Villiger: Ich hab’s mir auch schon überlegt. Aber ich könnte es nicht, ich bin zu sehr Patriot. Mich hält das Heimatgefühl.
Weltwoche: Was bedeutet Heimat?
Villiger: Die Gemeinschaft, die Menschen, die hier leben. Die Geschichte, die ich mit einem Ort verknüpfe.
Weltwoche: Was ist noch gut an der Schweiz?
Gwerder: Im Gegensatz zu anderen Ländern, zu Deutschland oder den USA, haben wir noch eine bessere – keine gute! – Regierung. Bei uns ist nicht nur einer zuoberst, wir haben sieben.
Weltwoche: Wenn die Schweiz einen König hätte, wer wäre das?
Schilter: Das müssen Sie gar nicht fragen! Wir sind Schweizer, es kann gar kein Oberhaupt geben.
Weltwoche: Was macht den Schweizer aus?
Villiger: Er traut sich, politisch Verantwortung zu übernehmen, er steht hin und schiebt nicht alles ab. Er lehnt sich also nicht zurück und sagt: «Das machen die da oben schon gut.»
Weltwoche: Wann sollte ihm, überspitzt gesagt, der Schweizer Pass entzogen werden?
Schilter: Wer fürs Bürgerrecht nicht kämpft, könnte eigentlich verreisen. Sonst darf er machen, was er will. Auch Zugewanderte, zum Beispiel Muslime, dürfen gleichberechtigt leben – solange sie die Gepflogenheiten akzeptieren.
Gwerder: Ja, wir stehen mit offenen Armen da. Wir haben mehrere Ausländer, die trychlen – Deutsche, Bolivianer, Türken, Türkinnen. Unsere Türkin sagte mir kürzlich, sie stehe für unsere Rechte ein, weil es ihr in der Schweiz gefalle, sonst könnte sie ja wieder zurückgehen.
Weltwoche: Wäre toll, wenn eine solche Migrantin abstimmen und wählen könnte. Oder?
Villiger: Das Ausländerstimmrecht steht nicht zur Diskussion.
Weltwoche: Wie viele Menschen verträgt die Schweiz? Maximal.
Gwerder: Es wäre gut, wenn bald fertig wäre. Man kann nicht noch mehr Kulturland verbauen und Bauern mit ihren Werten und ihrer Tradition verdrängen.
Weltwoche: Was löst die Vorstellung einer Zehn-Millionen-Schweiz bei Ihnen aus?
Gwerder: Ich denke, das wird kommen . . . Aber gut fände ich’s nicht!
Weltwoche: Können Sie sich vorstellen, dass die Schweiz irgendwann der EU beitritt?
Mächler: (Lacht) Nein, unmöglich.
Weltwoche: Woher kommt Ihr Missmut gegenüber der EU?
Schilter: Der schlummert doch in jedem Schweizer Herzen – neutral und unabhängig zu sein. Das ginge in der EU nicht.
Gwerder: Der Wohlstand würde sich angleichen, wir wären wie Italien, Spanien oder Frankreich . . .
Weltwoche: Haben Sie die Fussball-EM verfolgt?
Gwerder: Sicher, als Tschüteler! Ich spielte in der 2. Liga.
Weltwoche: Was ist Ihnen aufgefallen?
Gwerder: Das mit dem Hymnen-Singen war so ein Punkt: Haben Sie gesehen, wie die Italiener patriotisch mitgesungen haben – volle Pulle! So etwas finde ich schön, wenn man für sein Land bis zum Umfallen kämpft.
Weltwoche: Können Sie die Schweizer Hymne auswendig?
Villiger: Wir singen sie sogar an den Kundgebungen.
Weltwoche: Frau Mächler, wie viele Trychlerinnen gibt es ausser Ihnen?
Mächler: Traditionell wenige, bei den Freiheits-Trychlern sind wir aber vierzig Prozent.
Weltwoche: Was braucht es, um als Frau mitmachen zu dürfen?
Mächler: Es gibt Vereine, die nehmen keine Frauen, weil sie nichts durchmischen wollen. Bei uns passte ich rein, wir ziehen am gleichen Strick. Und ich war stolz genug, um zu sagen, dass ich nicht wegen der Männer, sondern wegen des Schellens mitmache. Ich wurde einstimmig angenommen.
Weltwoche: Frage an die Männer: Was können Frauen besser? Ganz allgemein.
Villiger: Sie sind feinfühliger, das Emotionale liegt ihnen mehr.
Gwerder: Mit Kindern können es Frauen besser, das merke ich daheim. Mütter haben einen starken Einfluss auf die Kinder. Das Kalb läuft ja auch immer der Mutter nach – wobei ich nicht sage, das andere gehe nicht; jeder, der will, kann ein super Vater sein. Aber die Natur ist so, dass das Junge der Mutter nachläuft und der Bock irgendwo ist.
Weltwoche: Frau Mächler, wie denken Sie über Männer?
Mächler: Sie haben mehr Kraft. Und ist es böse, wenn ich sage, dass wir cheibe vil gleichzeitig studieren können und ihr nicht?
Weltwoche: Das Frauenstimmrecht jährt sich zum fünfzigsten Mal. Ist das hier ein Thema?
Villiger: Nein, das ist wieder so ein politisch korrektes Thema. Staat und Medien machen da schon genug Theater, da müssen wir nicht auch noch mitmachen.
Weltwoche: Sicher ein Thema ist der Stadt-Land-Graben: Was ist das grösste Missverständnis gegenüber der Landbevölkerung?
Gwerder: Dass wir Hinterwäldler sind. Und Verschwörungstheoretiker. Man tut alles in eine Ecke, wie in der Politik: AfD und SVP sind die Bösen, die macht man mundtot. Das Gleiche passiert mit uns, nur weil wir eine andere Meinung haben.
Weltwoche: Was läuft in den Städten schief?
Villiger: Das Geerdete ist weg. Viele haben den Bezug zur Natur verloren, weil sie nicht mehr mit der Natur zusammenarbeiten müssen, sondern unabhängig davon leben können.
Mächler: Auch das handwerkliche Schaffen geht vielen Städtern ab. Wer dort sagt, er büeze als Maler oder Bäcker, ist nach aussen nichts und wird belächelt. Aber es kann ja nicht jeder ein Instagram-Star werden. Bei uns hiess es früher: Lern einen rechten Beruf.
Weltwoche: Was heisst das?
Mächler: Etwas Handwerkliches!
Villiger: Heute kommen viele ohne Berufs- und Lebenserfahrung und direkt nach dem Studium zum Kanton auf irgendein Amt. Das sind Leute, die gar nicht merken, wie viel Bürokratie sie produzieren.
Weltwoche: Können Sie sich vorstellen, dass Zürich neun Fachleute für Velowege einstellte?
Schilter: Ja, klar. Aber diese studieren dann nur ums Zeug herum. Wer macht’s am Schluss? Wir, die werken. Ohne uns ginge es nicht.
Gwerder: Solche Fachleute müssten mal eine Woche Hunger haben, dann wären die meisten Probleme wie weggeblasen.
Weltwoche: Das Problem mit den Mohrenköpfen zum Beispiel? Eine Riesendiskussion.
Gwerder: Ja, genau! (Lacht)
Villiger: Das ist wieder so ein Beispiel, wie die Gesellschaft gesteuert wird: In die Sprache wird überall etwas Schlechtes hineininterpretiert. Jedem, der Mohrenkopf sagt, wird eine böse Absicht unterstellt – das geht doch nicht! Es ist doch niemand, der Mohrenkopf sagt, deswegen ein Rassist? Das Leitmotiv ist ein komplett anderes.
Weltwoche: Was wäre heute rassistisch?
Gwerder: Wenn man jemanden aus einem Kulturkreis töten wollte, ganz schlimm!
Villiger: Oder wenn ich einem Schwarzen sagte, er dürfe in meinem Café nichts trinken, nur weil er schwarz ist. Das ginge nicht.
Weltwoche: Ist der Wolf bei euch ein Thema?
Gwerder: Noch nicht, aber es ist eine Frage der Zeit, bis er unser Vieh schändet.
Weltwoche: Was ist das grössere Übel: der Wolf, der eure Tiere bedroht, oder der Städter, der den Wolf politisch schützt?
Gwerder: Beides gleich schlimm!
Villiger: Das Problem Wolf könnten wir ohne Städter einfach beheben. Und hier sind wir wieder beim fehlenden Naturbezug: Viele Städter halten sich für wahnsinnig grün. Aber in Abhängigkeit mit der Natur zu leben, ist eine andere Geschichte.
Weltwoche: Wie denken Sie über die Grünen?
Schilter: Für mich sitzen grüne Städter in einer Parkallee und sehen zwei Bäume vor der Nase.
Mächler: Am schlimmsten sind Grüne, die nur Vorschriften produzieren, aber nie etwas machen. Es sässe ja keiner bei Wind und Wetter hier oben und schaute zum Vieh. Würden sie krampfen, wüssten sie, worum’s geht. Sie aber bringen Ideen, ohne dass sie jemals etwas damit zu tun gehabt hätten.
Gwerder: Grüne bewegen sich ins Extreme, und alles Extreme befürworte ich nicht.
Weltwoche: Können Sie sich vorstellen, eine Zeitlang vegan zu leben?
Schilter: Das ist sehr streng und kostet.
Mächler: Meine Tochter lebt vegetarisch – obschon sie mit Bratwurst und Landjäger aufwuchs, und zwar gehörig. Auf einmal sagte sie, sie esse kein Fleisch mehr. Mir fiel fast der Deckel runter, aber: Sie zieht es pickelhart durch. Es geht ganz gut.
Weltwoche: Frau Mächler, was, wenn Ihre Tochter mit Greta fürs Klima streiken würde?
Mächler: Das wird nicht passieren. Dafür ist sie zu fest in uns verwurzelt.
Weltwoche: Aber was würden Sie sagen?
Mächler: Wir hätten sicher Lämpe. Aber verbieten könnte ich es ihr nicht. Ich will sie ja zu einer selbständigen Erwachsenen erziehen.
Weltwoche: Wie denken Sie übers Klima?
Gwerder: Das mit dem Klima ist schwierig. Vielleicht ist schon etwas da, was spinnt.
Mächler: Meine Familie bauerte generationenlang. Mein Urgrossdädi schrieb Tagebuch, er vermerkte jeden Tag das Wetter. Es steht, dieses Auf und Ab gab es immer. Ich mache mir keine Sorgen.
Weltwoche: Und was tun Sie für die Umwelt?
Villiger: Umwelt und Klima sind zwei verschiedene Paar Schuhe: Das Klima kann man nicht schützen, die Umwelt schon.
Gwerder: Ich gehe mit meinen fünf, sechs Kühen z Alp – wie vor Hunderten vor Jahren. Das ist doch gut. Aber ich denke, die Schweiz ist nur ein kleiner Tropfen auf den heissen Stein.
Weltwoche: Herr Gwerder, als Muotathaler, wem glauben Sie: einem Wetterschmöcker oder dem Klimawissenschaftler, Professor Knutti?
Gwerder: Das Problem ist: Es gibt Forscher und Forscher, es gibt verschiedene Meinungen. Manche werden gehört, andere totgeschwiegen.
Weltwoche: Besonders laut sind auch Gleichstellungstheoretiker: Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse aus der Gender-Debatte?
Schilter: Was heisst Gender?
Mächler: Das wollte ich auch gerade fragen.
Weltwoche: Da geht es um das Geschlecht, mit dem man sich identifiziert; es geht mehr darum, wie man sich fühlt, als was man ist.
Villiger: Die Identität der Menschen wird so zerstört. Man hat keinen Bezug, keine Bindung mehr, bis man irgendwann gar nichts mehr ist – weder Mann noch Frau.
Weltwoche: Dafür darf man sein, was man will und wie man sich fühlt.
Villiger: Ja, aber das verunsichert doch nur – vor allem Kinder. Es geht doch nicht, dass du sein kannst, was du willst. Du bist von Natur aus etwas.
Gwerder: Diese traditionelle Struktur – man könnte wieder sagen, diese Hinterwäldler-Struktur – finde ich gut für die Familie. Sie funktioniert und gibt Festigkeit.
Weltwoche: Stört es Sie, wenn sich eine Frau als Mann fühlt?
Gwerder: Gar nicht, das kann ja auch natürlich sein.
Villiger: Mich stört einfach, wie wir an das Thema herangehen: Es gibt sehr wenige Fälle, die genetisch nicht eindeutig sind. In den meisten Fällen ist es klar: Mann oder Frau. Bei vielem ist die Gesellschaft schuld. Die Leute, vor allem Teenager, sind verwirrt. Nicht mal Männer dürfen heute noch stark, sondern müssen weiblich sein. Das ist ja nicht normal!
Weltwoche: Herr Villiger, Sie haben drei Kinder – zwei Töchter, einen Sohn. Was, wenn Ihr Sohn plötzlich ein Mädchen sein möchte?
Villiger: Dann hätte ich etwas falsch gemacht. Aber das wird nie der Fall sein.
Weltwoche: Wer weiss.
Villiger: Aber dann würde ich den Fehler bei mir als Vater suchen.
Gwerder: Ich glaube, es gibt schon Leute, die hormonell anders zur Welt kommen. Das toleriere ich. Gefährlich wird es, wenn es von aussen in die Familie kommt.
Weltwoche: Herr Gwerder, was, wenn Ihre Tochter auf Frauen steht?
Gwerder: Das wäre am Anfang hart.
Mächler: Mich ginge das nichts an, ich will nur, dass meine Kinder glücklich sind.
Weltwoche: Könnten Sie sich mit der «Ehe für alle» arrangieren?
Villiger: Könnte ich dann meine Tochter heiraten?
Schilter: Nein! Es geht um gleichgeschlechtliche Paare.
Villiger: Gut, dann ist es aber keine Ehe für alle, sonst könnte ich ja auch eine Kuh heiraten. Und so weit kommt’s noch.
Weltwoche: Die Homo-Ehe würde Sie stören?
Villiger: Ja, moll.
Schilter: Jein.
Villiger: Sicher? Für mich geht das gar nicht. Die Ehe ist eine Bindung zwischen Mann und Frau. Auch die Familie ist Mann und Frau vorbehalten. Das hat die Schöpfung so eingerichtet.
Weltwoche: Und wie reagieren Sie, wenn zwei Männer auf der Strasse Händchen halten?
Villiger: Das stört mich null, das ist ihre Entscheidung.
Weltwoche: Hätten Sie das Gefühl, zwei Frauen wären schlechtere Eltern?
Villiger: Es gibt sicher solche, die gut sind. Aber dem Kind fehlte die männliche Bezugsperson.
Schilter: Das sagst du richtig.
Gwerder: Kinder wissen im Herzen, wer der Vater und wer die Mutter ist. Für diese Gewissheit könnten zwei Männer oder zwei Frauen nicht sorgen. Was sie aber könnten, ist, dem Kind Liebe zu schenken.
Weltwoche: Was ist bei der Kindererziehung essenziell?
Villiger: Zeit.
Mächler: Und selbständig denken lernen.
Gwerder: Respekt, Anstand und Glauben.
Schilter: Da kannst du noch Tradition anhängen, das ist ein Stück weit wie der Glaube.
Weltwoche: Warum glauben Sie?
Villiger: Es braucht die Glaubensgemeinschaft, sie stärkt. Bei den Freiheits-Trychlern ist keiner Atheist oder nicht gläubig.
Weltwoche: Was, wenn Gott aus der Bundesverfassung verschwinden würde?
Gwerder: Das wäre gottlos. Es wäre, wie es jetzt schon bei Corona passiert: wie wenn alte Leute alleine sterben müssen, wie wenn Kinder eingesperrt werden – das ist unmenschlich, gottlos eben.
Weltwoche: Gibt es ein Innerschweizer Rezept für ein gutes Leben?
Mächler: Einfachheit und Wertschätzung, für das, was man hat. Es braucht aber gar nicht viel.
Villiger: Ein offenes Herz, um der Natur und dem Umfeld zuzuhören. Demut, aber auch wieder nicht zu viel.
Gwerder: Einen gerechten Umgang, niemanden vorverurteilen, auch wenn er schwul, lesbisch, geimpft oder ungeimpft ist. Das ist Toleranz!
Weltwoche: Gibt es ein urchiges Gegenmittel zum krampfhaften Unglücklichsein?
Villiger: Aufhören zu jammern, aufstehen und etwas dagegen machen. Der Sinn kommt dann automatisch, du musst das Glück in die eigene Hand nehmen.
Weltwoche: Was bedeutet Glück?
Schilter: Gesundheit, Freiheit, Familie.
Villiger: Das Zwischenmenschliche ist für mich auch noch wichtig; dass man miteinander reden und sich in die Augen schauen kann.
Gwerder: Dass man so leben darf, wie man leben will.
Weltwoche: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Villiger: Dass das Volk wieder einsteht; zurück zu den Grundwerten, zur Eigenverantwortung.
Gwerder: Um nicht in ständigem Zwang leben zu müssen.
Weltwoche: Was stimmt Sie optimistisch, wenn Sie vorwärtsschauen?
Gwerder: In der Schweiz ist es eben schon cheibe schön. Es ist das einzige Land, in dem man sein Schicksal noch in den eigenen Händen hält.