«Niemals will ich die Schweiz in der EU sehen»

Im zweiten Teil des grossen Weltwoche-Gesprächs spricht Popstar Loredana Zefi über ihre Bindung zu Gott, die Perfektion der Schweiz und ihre Faszination fürs Wandern. Teil 2.

Veröffentlicht in Die Weltwoche, 29. April 2020

Bild: zVg.

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Frau Zefi, um Ihren Hals tragen Sie ein grosses goldenes Kreuz. Ihre Familie gehört zur christlichen Minderheit im muslimischen Albanien. Was bedeutet Religion für Sie?

Das ist krasse Privatsphäre. Ich bin sehr, sehr gläubig, gehe oft in die Kirche, zünde Kerzen an, bete. Ich weiss, egal, wo ich hinlaufe, ich laufe mit Gott. Und weil er immer bei mir ist, bin ich überzeugt, dass ich mir meine Position, in der ich bin, verdient habe.

Glauben Sie ans Schicksal?

Ja. Gott wollte, dass es so kommt, wie es kam. Mein Weg war vorbestimmt, es gibt keine Zufälle. Mein Vater erlitt am Karfreitag vor einem Jahr einen Schlaganfall. Nach genau vierzig Tagen, an Himmelfahrt, als Jesus auferstand, starb er. Papa hat diese Daten krass getroffen.

Wie sind Sie mit dem Tod Ihres Vaters umgegangen? Woher nahmen Sie die Kraft, das Leid zu ertragen?

Hätte mir einen Tag vor seinem Tod jemand gesagt: «Loredana, dein Vater stirbt», ich wäre damit nicht klargekommen. Ich habe mich nicht wiedererkannt, es war eine unglaubliche Stärke in mir. Von allen Kindern hatte ich zu ihm die stärkste Bindung, die anderen stehen meiner Mutter näher. Der Glanz in seinen Augen hat mich so glücklich gemacht, ich konnte den ganzen Tag lachen. Sein Tod hat mich stärker gemacht, zum Besseren gewendet.

Waren Sie vorher ein schlechter Mensch?

Das nicht, aber ich wurde dankbarer. Der Tod öffnete mir die Augen dafür, die Zeit mit meiner Familie mehr zu geniessen.

Haben Sie Angst davor zu sterben?

Gar nicht. Ich bin katholisch, las die Bibel, den Koran, die Thora. Ich bin sehr interessiert an Religionen, konnte aber zu keinem der Bücher eine richtige Bindung finden. Keines ergab Sinn. Viele sagen ja, das Leben sei ein Test, um im Himmel zu landen. Ich aber glaube, das Hier und Jetzt ist bereits die Hölle.

Das klingt dunkel, sehr pessimistisch.

Nicht ganz. Ich sage: «Ey, wenn hier die Hölle ist und ich es schaffe, hier ein guter Mensch zu sein, komme ich in den Himmel.» Diese Ungewissheit, ob und wann das passiert, ist doch ohnmächtig. Wir wissen nichts, alles ist möglich. Jederzeit.

Wie würden Sie Ihre Familie beschreiben?

Ehrlich, offen und hilfsbereit. Immer. Ich war auch eines der Kinder, das nie Angst hatte. Ich habe Mozzik, meinen Freund, auch einfach heimgebracht und zu meinem Vater gesagt: «Ey Papa, das ist mein Freund.» Er war geschockt und sprachlos.

Mozzik ist Muslim. War das das Problem?

Nein. Vor zwanzig Jahren, damals wäre es vielleicht für meinen Vater ein Problem gewesen. Aber: Ich habe auch versucht, meine Eltern zu erziehen.

Zu Weltoffenheit? Moderne?

Genau. Deshalb habe ich auch Mozzik heimgebracht. Als Test. Meinen Vater überrumpelte ich komplett. Aber weil ich ehrlich und offen zu ihm war, sagte er: «Ich bin einverstanden.» Das war ganz zum Ärger meiner Schwester, sie so: «Ey Papa, geht’s noch?! Als ich meinen Typen brachte, gab’s voll das Drama.»

Wie sehen Sie Ihre Zukunft? Sie sind liiert, Rapper Mozzik ist noch immer Ihr Ehemann, Sie leben aber von ihm getrennt. Ein Zustand auf Dauer?

Wir sind nicht in Scheidung. Wir versuchen, einen Weg zu finden, damit es nochmals klappt mit uns. Wir kommen ja immer noch klar miteinander. Sollten wir aber wieder zusammenkommen, würde unser Leben nicht mehr in der Öffentlichkeit stattfinden.

Es heisst, er habe in einem Rap-Song gegen Sie geschossen.

Ja, klar. Ich wusste bereits zwei Wochen bevor das Lied herauskam, Bescheid.

Wie haben Sie reagiert, als Sie den Song erstmals hörten? Mozzik, Ihr Ehemann, nennt Sie eine «hinterhältige Füchsin».

Ich dachte: «Cool.» Und schrieb ihm: «Haha, hast du mich gemeint?» Er so: «Haha, ja. Ich will schauen, wie alle reagieren.» Ich dann: «Boa, das wird lustig.» Es sollte heissen, Mozzik und Loredana dissen, bekriegen sich. Das war aber nur Spass. Es ging uns darum, zu schauen, was die Medien draus machen, wie viel Hass sie zwischen Ehemann und Ehefrau bringen wollen.

Ihr Verhältnis zu den Medien ist angespannt. Welches sind die grössten Fake News, die Sie über sich lesen mussten?

Boa, es gibt so viele. Über mich wird so viel Bullshit geschrieben, ich habe dazu sogar einen Song gemacht. «Angst», heisst er. Da rappe ich: «Fick die Bild-Zeitung, fick die Blick-Zeitung und die 20 Minuten ...» Lustigerweise schreiben sie seither nur Gutes über mich.

War der Bleihammer Ihrerseits nötig? Sie mussten den Medien richtig aufs Dach geben, um sie zum Schweigen zu bringen?

Ich bin so ein Mensch, ich warte lieber. Aber wenn ich komme, dann mit der Musik als Waffe, mit meinen 2,8 Millionen Followern, von denen täglich über eine Million meine Bilder und Videos anschaut. Wenn ich einen Post schreibe: «Ey, die Bild, Blickund 20 Minuten sind Scheisse», dann wissen diese Zeitungen, meine Follower werden sie nerven. Journalisten kommen dann sehr schnell runter, kriegen Panik und fragen mich, ob ich den Post nicht bitte löschen könne.

So geht das seit dem Anfang: Loredana und die Schweizer Medien, das funktionierte nicht. Warum?

Weil ich ihnen nie mein Gesicht gab: Ich habe nie mit Zeitungen gesprochen, keine Interviews, nichts. Ich sagte immer: «Ey, ihr und was ihr schreibt, interessiert mich nicht.»

Kommen wir zu Ihrer Nationalität: Albanien, das Kosovo. Was bedeuten diese Länder für Sie?

Ich setz’ voll nicht auf dieses Albanien- und Doppeladler-Flagge-Ding. Ich bin auf Abstand, was das anbelangt. Nicht, weil ich keine stolze Albanerin bin, sondern weil mein Volk nichts mit meinem Erfolg zu tun hat. Meine Landsleute wollen das hochstilisieren: «Ah, Loredana, sie ist eine von uns.» Ja, klar, das stimmt, das bin ich. Da verbrachte ich die Sommerferien, mehr kann ich gar nicht sagen. Ausser: Ich könnte niemals dort leben.

Wie kam Ihre Familie in die Schweiz? Und warum?

Mein Vater war der Erste, der kam. Mit 30, 25 oder jünger sogar. Er arbeitete, baute sich etwas auf, fühlte sich wohl und holte dann seine Familie. Mein Vater war der Schweiz immer dankbar und betonte, das Kosovo hätte uns nie das bieten können, was uns die Schweiz geboten hat. Daher bin ich auch ein übelst krasser Schweiz-Fan.

Was ist kulturell der grösste Unterschied zwischen Albanern und Schweizern?

Im Schweizer Staat ist Struktur drin, es geht um Leistung, um Geld. Wenn du Geld hast, hast du hier keine Probleme. Rein menschlich habe ich keine Ahnung. Ich kenne Albaner, die sind wie Schweizer und umgekehrt. Ich unterscheide nicht.

Wenn Sie gefragt werden, woher Sie sind, was sagen Sie?

Schweiz, ganz klar. Ich sag dann schon, ich bin Albanerin. Aber wo ich lebe? Immer Schweiz. Im Kosovo mache ich Ferien, da ist das Grab meines Vaters, ich lieb’s, dort zu sein. Auch die Leute dort: Sie sind entspannter, arbeiten weniger als Schweizer. Ich liebe es aber auch, wieder in die Schweiz zu kommen.

Wurden Sie in Deutschland nie als «die kleine Schweizerin» abgetan?

Nie, sie respektieren mich. Ich liebe es, in Deutschland zu sagen, ich sei Schweizerin, dann sind alle übelst nett. Die Schweiz ist ein Vorbild, egal wo. Wenn mich in Deutschland die Bullen anhalten, sagen die: «Was? Schweizerin? Ach ja, das sind noch normale Leute.»

Was stört Sie an der Schweiz?

Nichts, gar nichts. Die Schweiz ist das perfekte Land.

Was gefällt Ihnen am besten?

Alles. Politik, die Mitbestimmung des Volkes, völlig einverstanden. Das gibt es in Deutschland, in ganz Europa nicht. Darum habe ich immer gesagt: Wenn die Schweiz in die EU geht, wäre das schlimm für mich, mega. Niemals will ich die Schweiz in der EU sehen. Niemals! Ich will, dass die Schweiz so bleibt, wie sie ist. Klar, «Ausländer raus», damit war ich nicht einverstanden, mein Bruder wurde ja ausgeschafft. Aber: Wenn du einen gesunden Menschenverstand hast, gibt es kein besseres Land als die Schweiz, sie ist das perfekte, bodenständige Land. Es ist so viel Geld da, so viel Reichtum, und den Schweizern merkt man es gar nicht an.

Was glauben Sie, warum ist die Schweiz so reich?

Weil wir bodenständig sind. Wenn man den Chef einer Bank trifft, mit ihm in einem Café sitzt, würde man niemals denken, dass er so viel Geld hat. Plötzlich sagt er, er sei UBS-Chef. Und du so: «Wie bitte?»

Das pure Gegenteil vom Gangsta-Rap-Business, wo alle rausposaunen, was sie haben.

Richtig. Da muss ich halt mitspielen, das ist mein Beruf. Aber ein Schweizer Bank-Typ, der das auch könnte, weil er auch Millionen hat, macht das eben nicht. Die Schweizer sind ein Fall für sich, haben ein nettes Häuschen am See, sind ganz ruhig und anständig, haben aber trotzdem 500 Millionen auf dem Konto. Merken tut man nichts, das finde ich super! Wäre ich Bank-Chefin, würde ich auch meinen netten Anzug anziehen, so tun, als hätte ich kein Geld, und immer nur Zug fahren.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Ich bin viel im Studio. Und wandern, das mache ich auch viel. Pilatus rauf, runter. Da bin ich schon sehr oft hochgelaufen. Ich bin übelst der Wander-Fan. Mozzik auch.

Sie gehen zusammen auf Wanderungen? Mit Wanderschuhen, Rucksack und Proviant?

Ja. Wir waren kürzlich auf einem Berg, übelst abgelegen. Bei einem Bauernhof arbeitete ein alter Schweizer. Er sprach Walliserdeutsch und fragte: «Loredana?» Es war lustig, ich wollte eigentlich nur auf einen Berg, wo mich niemand kennt, und dann kommt genau der. Wir waren im Nichts, es hatte nicht mal einen Coop.

Was fasziniert Sie am Wandern?

Ich will die schönsten Orte suchen, solche, die ich nie zuvor gesehen habe. Die versteckten. Wir suchen immer etwas, einen See oder so. Das haben wir, als wir in den Ferien im Kosovo waren, auch gemacht. Wir sind früher schon viel gewandert.

In Nordalbanien gibt es diese Bilderbuchlandschaft: den Koman-See. Ein verwinkelter See, ringsum grün bewachsene Berge.

Ja, genau! Diese Landschaft finde ich megakrass. Aber das gibt es hier auch. Hier ist es auch wunderschön, in der Schweiz.

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