Glücksbringerin im Kostüm

Nach neun Jahren steht der FC Luzern wieder im Cupfinal. Maskottchen Jana Ach, 23, würde sich über den Sieg freuen.

Veröffentlicht in Die Weltwoche, 19. Mai 2021.

Bild: ZVg.

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Ich studiere Psychologie an der Uni Bern. Um meine Wohnung in Luzern zu finanzieren, habe ich mehrere Nebenjobs: Ich arbeite im Verkauf, in der Steuerverwaltung, an der Luzerner Messe und beim Fussballklub Luzern. Unter normalen Umständen verkörpere ich dort das Maskottchen «Siegfried», den helleren Löwen. Mit «Leu», dem zweiten Maskottchen zusammen, sind wir die «FCL Leuenbandi». Am Matchtag stehen wir vor dem Stadion, um zu unterhalten und zu animieren – vor allem Familien. Ich gebe high fives, posiere für Selfies oder mache Seich: Ich piesacke Leute, klaue ihnen den Hut und renne davon. Kinder finden das toll!

Erwachsene sind mit steigendem Alkoholpegel anstrengender. Und im Sommer ist es nicht so angenehm, im Kostüm zu stecken. Wenn der Match beginnt, habe ich meinen Job fürs Erste erledigt und schaue dem Spiel zu. In der Halbzeit mache ich die Pausenrunde, winke und sorge für Stimmung. Nach dem Schlusspfiff verabschiede ich die Zuschauer. Am schönsten finde ich die Freude, die ich auslöse, vor allem bei Kindern. Wenn sie mich sehen, vergessen sie alles um sich herum und wünschen sich allerlei von mir – zum Beispiel, dass ich einen «Fortnite»-Dance mache. Dann denke ich mir: Ich kann das zwar nicht, aber ich probier’s – es weiss ja niemand, dass ich es bin, die rumalbert. Von den 10 000 Leuten im Stadion wissen die allerwenigsten, wer «Siegfried» spielt.

Schon als Kind hatte ich Freude an verkleideten Figuren. Im Europapark erwartete ich immer einen Mann im Kostüm. Mit dieser Annahme bin ich nicht alleine: Als Maskottchen werde ich häufig mit männlichen Pronomen angesprochen, nicht selten höre ich, ich sei ein «geiler Siech». Wieso das so ist, weiss ich nicht. Es stört mich aber auch nicht. Die meisten sind dann überrascht, wenn ich verrate, dass «Siegfried» eine Frau ist.

Nach der Welle 

Aufgewachsen bin ich im ländlichen Teil von Kriens. Meine Eltern sind Informatiker. Ich wollte Tierärztin werden. Reiten war meine Leidenschaft, bis ich mir das Steissbein brach. Seither halte ich mich mit Badminton und Tennis fit. Für nächstes Jahr, wenn ich meinen Master beende, plane ich eine Weiterbildung in Uster. Ich möchte Sexologin werden. Sexualtherapie interessiert mich, vor allem in Zusammenarbeit mit Querschnittsgelähmten. Mit dem FC Luzern kam ich mit dreizehn in Kontakt. Ich hatte eine Phase, da stand ich in der Fankurve; das Fieber liess nach zwei Saisons nach. Zufällig bewarb ich mich 2017 als Maskottchen, als ich auf der Suche nach einem Nebenjob war. Weil ich zuverlässig und flexibel bin, war ich für den Verein ein Glücksfall, denn meine Partner wechseln ständig. Spezielle Fähigkeiten waren nicht gefragt, keine Stunts und Tricks. Weil ich nicht das Gefühl hatte, zu ersticken, als ich das Kostüm anzog, hatte ich bestanden. Beim ersten Einsatz fühlte ich mich dann ziemlich verloren, weil ich den Ablauf nicht kannte. Auch die riesigen Füsse und die eingeschränkte Sicht waren eine Herausforderung. Ich dachte mir: Bitte nicht umfallen! Dieser Gedanke verflog mit der Zeit; wenn ich heute stürze, nehme ich das locker – die Zuschauer amüsiert das sogar.Nach Siegen drehe ich mit den Spielern eine Ehrenrunde. Nach der Welle mit den Fans ist es für mich Zeit, mich aus dem Staub zu machen. Sonst riskiere ich, umgeschubst und «gehügelt» zu werden. Es kam zweimal vor, dass die Spieler auf mich raufsprangen. So weit wird es nach dem Cupfinal gegen den FC St. Gallen nicht kommen. Wegen Corona werde ich nicht gebraucht – wozu auch, bei einem Geisterspiel? Trotzdem hoffe ich, dass es der FC Luzern packt.

Aufgezeichnet von Roman Zeller

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