«Bitcoin wird die Welt verändern»

Die Kryptowährung hat 2018 die Finanzwelt bewegt. Anfang Jahr stieg der Kurs auf über 20 000 Franken, jüngst stürzte er auf unter 4000 Franken ab. Trotzdem glaubt Krypto-Guru Niklas Nikolajsen weiterhin an den Durchbruch. In Zug hat er eine der grössten Bitcoin-Firmen der Schweiz aufgezogen.

Veröffentlicht in Die Weltwoche, 19. Dezember 2019

Bild: zVg.

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Als Niklas Nikolajsen, 43, im Jahr 2011 als Credit-Suisse-Angestellter intern vorschlug, die Währung Bitcoin ins Bankgeschäft zu integrieren, war die Begeisterung überschaubar. Sein Glaube an die Kryptowährung blieb aber ungebremst. Der gebürtige Däne und Software-Ingenieur machte sich 2013 mit der Firma Bitcoin Suisse selbständig. Sie biete Finanzdienstleistungen für Kryptowährungen an und stelle die Infrastruktur bereit, erklärt Nikolajsen. Der Kern seines Geschäfts war anfangs der Kauf und Verkauf von Kryptowährungen, umfasst mittlerweile aber auch anspruchsvollere Finanzprodukte und Beratung. Vergleichbar sei das Geschäft mit demjenigen einer Bank, nur für Kryptowährungen halt. Der rot-weisse Bulle im Eingangsbereich am Zuger Standort symbolisiert den kraftvollen Aufstieg – von Bitcoin und von Nikolajsen. Rund siebzig Mitarbeiter sind es, die sich mit Brokerage, Trading, Coin-Offering-Services, Crypto-Storage-Services und anderen Finanzdienstleistungen befassen. In diesem Bereich ist Bitcoin Suisse die älteste und grösste Firma der Schweiz, sie verbucht über zwanzig Millionen Franken Gewinn jährlich.

Herr Nikolajsen, Bitcoin Suisse ist rasant gewachsen: Streben Sie nach einer Schweizer Banklizenz?

Ich würde da kürzer ansetzen: Wir sind zwar gross im Kryptogeschäft. Verglichen mit sogenannten Einhörnern, die aus dem Boden schnellen mit Hunderten von Mitarbeitern und Grossinvestoren, sind wir klein, dafür aber eigenfinanziert. Trotzdem haben wir Lizenzambitionen. Inhaltlose Ankündigungen sind nicht unser Stil. Wir behalten lieber die Katze im Sack, bis eine Neuerung wirklich marktreif ist.

Bitcoin erlebte in diesem Jahr massive Kursschwankungen. Warum?

Wir haben eine Handvoll superdramatischer Schwankungen erlebt. Beunruhigt bin ich deswegen nicht. Der Bitcoin-Markt ist immer noch ein kleiner Markt und deshalb anfällig für Spekulationen. Bereits relativ geringe Mengen können gewaltige Auswirkungen haben; schon wenige hundert Millionen Dollar können einen Preisanstieg oder eine Depression bewirken. Der Markt ist volatil und spannend. Beim Goldmarkt wäre das unmöglich. Ich bin mir sicher, dass der Markt sich einpendeln wird. Wichtig ist, dass Bitcoin kein Spekulationsgut ist. Bitcoin ist vielmehr eine Wertanlage, vielleicht sogar bald eine globale Währung.

Bestünde denn genügend Vertrauen in die Bitcoin-Weltwährung?

Aus technologischer Sicht braucht Bitcoin kein Vertrauen. Es ist ein vertrauensloses System, nicht wie der Schweizer Franken. Die elektronische Währung Bitcoin basiert auf der Blockchain-Technologie, einer unveränderlichen, dezentralen Datenbank. Traditionelle Währungen werden zentral verwaltet. Diesen Institutionen muss man vertrauen. Die Volatilität von Bitcoin ist vielmehr dem noch eher geringen Marktvolumen und der geringen Kapitalisierung geschuldet. Solange nicht die gleichen Finanzinstrumente wie beim Ölmarkt oder beim Getreidemarkt verfügbar sind, wird Bitcoin supervolatil bleiben und sollte so behandelt werden. Das wird sich aber ändern, und der Preis wird irgendwann über 20 000 Franken sein. Ich weiss nur nicht, wann.

Das heisst, Bitcoin taugt noch nicht als Weltwährung?

Stand jetzt, ist Bitcoin eine zehnjährige, gut funktionierende Test-Software, ein Proof of Concept. Die Technologie muss aber noch reifen. Wird sie das? Mit Sicherheit. Wir haben schon riesige Fortschritte gemacht.

Zurück zu den Anfängen: Worin liegt die revolutionäre Kraft von Bitcoin?

Der Autor des Bitcoin-White-Papers, Satoshi Nakamoto, schlug 2009 vor, das Vertrauen zu dezentralisieren. Noch immer ist vieles von einem einzigen, zentralen Akteur abhängig. Wie kann ich darauf vertrauen, dass mein Geld authentisch und nicht gefälscht ist? Und wie kann ich sicher sein, dass niemand sagt, dass das Geld ihm gehöre und nicht mir? Mit Bitcoin ist es zum ersten Mal möglich, digital zu beweisen, dass jemandem etwas sicher gehört, ohne dabei den Zugriff auf die Daten zu verraten, auch keiner Zentralmacht. Sind mindestens 51 Prozent der Teilnehmer vertrauenswürdig, funktioniert das System, da Daten, welche auf der Blockchain gespeichert werden, demokratisch verifiziert werden. Hat man einen Bösewicht, ist es wahrscheinlich, dass dieser nachträglich wieder von den guten Teilnehmern überstimmt wird. So resultiert ein dezentrales, konsensbasiertes System, das robuster als ein zentralisiertes ist. Und viel kostengünstiger, weil es keine zentralen Institutionen mehr braucht, welche Finanzprodukte, Transaktionen, Verträge oder Rechnungen überprüfen. Damit entstünde eine Welt voller digital erfasster Anlagen, und sicher 10 Prozent der heutigen Arbeitskräfte könnten sich produktiveren Dingen widmen. Indem Kryptowährungen die Anreize für ein dezentrales System schaffen, ermöglichen sie ganz neue Formen der sozialen Organisation.

Wie meinen Sie das?

Theoretisch könnte ein ähnliches System auch bei der demokratischen Problemlösung verwendet werden: Warum beauftragen wir Politiker, die genau das Gegenteil von ihrem eigentlichen Auftrag tun? Was wäre, wenn wir die gleiche Konsenststrategie verwendeten, um unsere Gesellschaft zu betreiben? Das wäre möglich.

Sie rechnen mit einer sozialen Revolution?

Je grösser die technische Revolution, desto mehr Zeit braucht sie. Die Agrarrevolution dauerte über 200 Jahre. Die von Bitcoin ausgelöste Revolution wird wohl nicht vor zehn Jahren eintreten.

Und wie sehen Sie Ihre Rolle bei diesem Prozess?

Wir bieten die Infrastruktur und verbinden alte Abläufe mit neuer Technologie. Wir ermöglichen es unseren Klienten, das volle Potenzial der dezentralisierten Blockchain-Technologie auszuschöpfen.

Woran denken Sie, wenn Sie von diesem Potenzial sprechen?

Ein Beispiel: Über Glühbirnen denken wir heute nur nach, wenn wir sie auswechseln müssen. Das könnte aber auch durch künstliche Intelligenz und digitale Währungen automatisch geschehen. Transaktionen zwischen Maschinen werden möglich sein. Das ist entscheidend für das Internet der Dinge. Das Potenzial ist immens und wird die Welt verändern. Das weiss aber jeder, nicht nur ich.

Warum kamen Sie mit Ihrer Firma in die Schweiz?

Ich wollte meinen Standort richtig wählen. Gute und freiheitliche Marktkonditionen waren mir wichtig. Ich wusste, dass ich mich abrackern würde. Da wollte ich sichergehen, dass mich der Standort nicht umbringt. Ich schaute mich um und sagte mir: die Schweiz! Eine Nation, welche sich durch Dezentralität profiliert und wo die Bürger ein hohes Mass an Freiheit geniessen. Die Reputation des Finanzmarktes ist hervorragend, das Land liegt mitten in Europa. Die Steuern sind tief, zumindest in einigen Kantonen.

Hat sich dies in Ihrem Kontakt mit den Schweizer Behörden bewahrheitet?

Regulatoren tragen grundsätzlich den Nein-Hut. Der Markt will hingegen die fortschrittliche Veränderung. Es gab viele Hürden zu überwinden. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich mir keinen besseren Partner als die Schweizer Behörden hätte vorstellen können.

Wird für Sie die digitale Welt genügend schnell reguliert?

Wir wollen natürlich so schnell wie möglich Rechtssicherheit haben, während der Regulator die Euphorie etwas bremsen will. Die Anreize sind unterschiedlich. Für die öffentliche Hand ist es riskant, diesbezüglich progressiv zu sein. Das ist in der Privatwirtschaft anders: Wir haben zwar auch Risiken, profitieren aber vom eigenen Erfolg. Der grosse Vorteil der Schweiz ist die Flexibilität. Und ich mag, dass ich meine Arme nicht nach Brüssel oder Washington ausstrecken muss – sie wären wohl zu wenig lang. Bern ist erreichbar.

Was zog Sie ins «Crypto Valley» Zug?

Wir gründeten Bitcoin Suisse in Zug, da ich hier per Zufall eine Wohnung fand. Erst später habe ich realisiert, dass ich in einem kleinen, flexiblen, sehr wirtschaftsfreundlichen Kanton gelandet war. Bitcoin Suisse war die erste Kryptofirma in Zug, später kam die Stiftung Ethereum. Wir waren beide mit Bitcoin finanziert und wollten es in Geld verwandeln. Einst bezeichnete jemand von der Stiftung Ethereum das Crypto Valley als Silicon-Valley-Pendant. Ich wiederholte den Namen in einer E-Mail, und irgendwie fand der Begriff Eingang in den Sprachgebrauch.

Wie finden Sie die Schweiz?

Machen Sie Witze? Die Schweiz ist das beste Land der Welt! Ich war immer schon fasziniert von der Schweiz: die Unabhängigkeit, die Neutralität, die Freiheit. Für mich ersetzt die Schweiz in hohem Mass die Top-down-Hierarchie mit horizontaler Kontrolle. Ich würde mich als vollintegrierter Zuger bezeichnen, was ja auch stimmt. In zwei Jahren werde ich den Schweizer Pass bekommen und meinen alten wegwerfen.

Niklas Nikolajsen, 43, ist Gründer und CEO des Krypto-Maklers Bitcoin Suisse. Der Däne ist studierter Software-Ingenieur und arbeitete unter anderem für Credit Suisse. Er lebt seit 2011 in der Schweiz.

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