Aus Zitrone soll Limonade werden

Spielerfrauen sind reich, schön und sitzen am liebsten im Stadion, wo sie ihren kickenden Männern zuschauen. Wirklich? Mirjana Zuber, die Gattin des Schweizer Nationalspielers Steven Zuber, korrigiert das Klischee.

Veröffentlicht in Die Weltwoche, 27. November 2019

Bild: zVg.

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Neugierig fragt Mirjana Zuber, ob das ihr «Blind Date» sei. Ohne die Antwort abzuwarten, fügt sie «Oh, cool» an, weil sie die Ausgabe der Weltwoche erblickt, die für sie auf dem Zweiertisch in einer Stadtzürcher Bar liegt. Das sei, sagt die 26-Jährige, die Schweizer Version von Time, der amerikanischen Wochenzeitschrift, und «wirklich intellektuell». Sie setzt sich und bestellt ein stilles Wasser ohne Eis, dafür mit Zitrone. Gerade habe sie ein Fotoshooting gehabt, sagt Zuber, die ihr Geld hauptsächlich via Social Media als Influencerin verdient. Ein Büromonatslohn springe pro Monat raus, sagt die gelernte kaufmännische Angestellte, «wenn’s gut läuft». Sie strahlt, obwohl sie müde ist. Ihr Haar hat sie zusammengebunden, das Make-up ist dezent. Sie trägt einen flauschigen Rollkragenpullover in knalligem Purpur, dazu passende knöchelhohe Chuck-Sneakers. «Christian Dior», steht fein darauf gestickt.

Mirjana Zubers Erscheinung verdeutlicht, warum sie 2014 nur knapp den Titel der Miss Schweiz verpasste. Noch spektakulärer als ihr eigenes Auftreten ist aber dasjenige zusammen mit Ehemann Steven Zuber, dem 28-jährigen Flügelspieler der Schweizer Nati. Wenn er – tätowiert, stets modisch gekleidet und schnittig frisiert – mit ihr über den Asphalt gleitet, knipsen Paparazzi, und die Boulevardpresse feiert das Paar als die «neuen Beckhams».

An der WM 2018 in Russland posierte sie mit dem Nati-Shirt, das die Aufschrift «Zuber’s Wife» – zu Deutsch: Zubers Ehefrau – zierte. «Das war eigentlich ein Gag», meint sie. Trotzdem schubladisierte sie die Presse, woraus sie ein Business formte. Seit letztem Mai spricht sie wöchentlich im Podcast «Spielerfrauen on air» und gewährt Einblicke hinter die Kulissen einer Fussballerehefrau. Hunderttausend Zuhörer lauschen pro Folge, wie sie tabulos über ihr Glamourleben erzählt. Ein Erfolg – vor allem in Deutschland, weshalb unlängst die deutsche Bild Zeitung eine Sequenz herauspickte: «Spielerfrauen wollen getragene Tangas verkaufen», titelte sie, wozu Mira entnervt anmerkt: «Ja, ich habe über einen Instagram-Tangasammler gewitzelt – schön. Das waren ein paar Sekunden aus über dreissig Minuten.» Sie insistiert, dass solche Headlines ihrer Persönlichkeit nicht entsprächen. Sie sagt: «Das ist nicht mein wahres Ich.»

Mutter Putzfrau, Vater Schreiner

Mira füllt ihr Wasserglas und erzählt von der Familie Vasovic, die vor über fünfzig Jahren aus Jugoslawien in die Schweiz einwanderte. Die ersten elf Jahre wohnte sie in Schwamendingen, einem «richtigen Getto», wie sie lachend anmerkt. Als sie in der vierten Klasse war, zogen die Vasovics in eine 5,5-Zimmer-Wohnung im nahen Seebach. Zu siebt mitsamt den Grosseltern sei sie dort aufgewachsen. «Wir waren gar nicht wohlhabend», erinnert sie sich.

Miras Mutter, eine Putzfrau, hat in der Schule Küsnacht gearbeitet; ihr Vater war Schreiner, bis er sich verletzte und gezwungen war, IV zu beziehen. Heute leben die Eltern getrennt. Mit Nebenjobs hat sich Mira seit dem dreizehnten Lebensjahr ihr Sackgeld verdient. Mit dem Geld habe sie sich dann ein schönes Kleidchen gekauft, «im Billigladen Tally Weijl». Ein besonderes Verhältnis hatte Mira zu ihrer zwei Jahre älteren Schwester: «Ich musste mit ihr das Zimmer teilen», sagt sie amüsiert. Sie hätten oft gestritten, sich angeschrien, sich sogar geschlagen. «Bei uns gab es schon immer Action», auch mit ihrem drei Jahre jüngeren Bruder, einem ausgelernten Pfleger. Sie bemerkt, dass er sich gerade selber finden müsse. «Er kann mehr», sagt die ältere Schwester. Daher frage sie ihn ständig: «Warum chillst du? Warum schläfst du bis um zwölf?», was mitunter ein Grund sei, weshalb Mira familienintern den Spitznamen «Diktator» trage.

Steven Zuber sah sie erstmals, als sie fünfzehn war und gerade ihre KV-Lehre bei der Zürich-Versicherung begann. Ein Kollege von ihr meinte, sie müsse unbedingt Steven, einen Freund von ihm, kennenlernen. Sie traf ihn im Zürcher «Kaufleuten». Obwohl Mira wusste, dass zwischen ihm und ihr etwas werden könnte, wollte sie Steven ihre Nummer vorerst nicht geben. «Ich wollte keinen Freund.» Steven, der damals für die U-21 der Zürcher Grasshoppers spielte, habe aber insistiert. «Er war sehr aufdringlich.» Das habe sie herzig gefunden. Er wurde ihr erster Freund. Nur geküsst habe sie zuvor schon, alles andere habe sie mit ihm erlebt.

Explosives Temperament

Ihre Liebe wuchs über die Jahre, bis das Paar im Mai 2015 heiratete. «Meine Mutter war anfänglich, als ich Steven heimbrachte, noch kritisch», erzählt Mira, die selbst Hand- und Volleyball spielte. «Er ist Fussballer?», fragte die Mutter. «Von was wollt ihr leben?» Steven Zubers Beruf war bei den Vasovics nie Thema. GC oder den FCZ hat Mira gar nicht gekannt: «Sind die Young Boys jünger?», habe sie ihn einmal gefragt. Und noch heute sei ihr Interesse beschränkt: «Wenn er spielt, bin ich Feuer und Flamme», sagt sie, obwohl sie seine Spiele – mit der Schweizer Nati, damals mit den Grasshoppers, mit ZSKA Moskau, Stuttgart und heute Hoffenheim – nur besuche, wenn es ihr zeitlich passt.

Trotzdem hat Mira ab 2014 ihr Leben für ihn und den Sport umgekrempelt. Sie kündigte ihren Job bei der Versicherung und pendelte zwischen Moskau, wo Steven spielte, und ihrem Elternhaus. Ganz nach Russland hätte sie nicht ziehen können. Ihre beste Freundin meldete sie in dieser Zeit für die Miss-Schweiz-Wahl an. «Da mitzumachen, war die beste Entscheidung meines Lebens», sagt Mira rückblickend. Den Traum, die Schweiz als Landesschönste zu repräsentieren, habe sie immer gehabt. «Schönheitsköniginnen können etwas verändern», so habe sie sich das als kleines Mädchen vorgestellt. Dass sie ausschied, sei ihrer Explosivität geschuldet gewesen, meint sie und fügt an: «Es war aber auch gut so, ich wollte ja zu Steven nach Moskau.»

Die Zeit in Russland sei dann einem «Riesenwechsel» gleichgekommen, erinnert sie sich. Überall diese «Bombenfrauen», diese «Zwei-Meter-Topmodels» – sie hätten bei ihr Komplexe und Selbstzweifel verursacht. «Bin ich genügend gross? Bin ich dünn genug?», fragte sie sich. «Das Luxusleben, die ständigen Vergleiche, wer fährt welches Auto, wer bezahlt mit welcher Kreditkarte oder trägt die exklusivsten Kleider, setzten mir zu», wie sie rückblickend sagt. «Damals hatte ich sicher eine Depression.»

«Göttliche weibliche Körperstruktur»

Heute, fünf Jahre später, sei sie mental gefestigt. «Ich bin sehr zufrieden mit mir», behauptet Mira überzeugt. «Gut», fügt sie an, «volleres Haar oder längere Beine könnten immer sein» – ganz normal halt. Sie lacht. Ehemann Steven Zuber habe ihr kürzlich – es war nach der WM in Russland – gesagt, dass sie wieder mehr Sport treiben solle. «Mein Popo war nicht mehr so straff», gesteht sie. «In der Beziehung sind wir aber völlig gleichberechtigt.»

Gesellschaftlich sehe sie Frauen sogar eher bevorteilt. Etwa, wenn es ums Parkieren oder um einen Tisch in einem vollen Restaurant gehe. «Ein Augenzwinkern oder ein bisschen herzig sein genügt schnell», weiss Mira. «Eine Frau zu sein, ist doch das Schönste, was es gibt auf der Welt», findet sie und schwärmt von der «göttlichen weiblichen Körperstruktur», die es ihr sogar ermöglicht, Kinder zu kriegen. Wann das bei ihnen der Fall sein wird, entscheide sie, sagt die 26-Jährige. Bereit sei sie noch nicht. Drei sollen es aber dereinst sein.

Vorher will Mira aber ihre Projekte vorantreiben. Ihr Ziel: eine eigene TV-Show nach dem Vorbild der amerikanischen Talkshow-Legende Oprah Winfrey. «Ich habe das Potenzial», weiss die Influencerin, die kürzlich mit «Miragram» ihren eigenen Youtube-Kanal startete. Dorthin will sie ihre 33 000 Instagram-Follower locken, um ihre Lebensweisheiten zu vermitteln. Als «Mirjana Zuber» habe sie dafür bessere Chancen: «Der Name gibt mir mehr attention», was sich positiv auf die Reichweite auswirke. «Aus der Zitrone musste ich aber selber Limonade machen», sagt sie und entschuldigt sich, weil sie jetzt wirklich gehen müsse, um die Autopneus zu wechseln – worauf sie die Weltwoche zusammenrollt und mit ihr unter dem Arm aus dem Lokal huscht.

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