«Das fing in der Pfadi an»

Thomas Süssli, der Chef der Armee, über sein Leben, seine Armee und seine erste Führungserfahrung.

Veröffentlicht in Die Weltwoche, 22. Dezember 2020

Bild: Caspar Martig.

Wenn er lacht, strahlt er, obwohl das Jahr kräftezehrend war. Im Januar übernahm Thomas Süssli, 54, den Chefposten in der Schweizer Armee. Nur wenig später, im Frühling, leitete er die grösste militärische Mobilmachung seit 1948. Was der höchste Befehlsgeber in der Armee während der Corona-Krise war und ist, steht symbolisch auf dem Salontisch in seinem Büro: ein Leuchtturm. Das Gespräch findet im Bundeshaus Ost statt. Auf dem gleichen Sofa sass dem Chef der Armee unlängst eine Corona-infizierte Person gegenüber, die ihn ausser Gefecht setzte. Geschmacksverlust, so Thomas Süssli, habe er keinen gehabt.

Weltwoche: Herr Süssli, wenn Sie zurückblicken: Was hat Sie in diesem verrückten Jahr besonders gefreut?

Süssli: Dass unsere Milizarmee zeigen konnte, dass sie die Sicherheitsreserve der Schweiz ist, ohne sich dabei aufzudrängen. Wenn es sie braucht, ist sie da. Und wenn es sie nicht mehr braucht, zieht sie wieder ab.

Weltwoche: Was hat Sie am meisten geärgert?

Süssli: Ich komme aus der Privatwirtschaft, ich bewege mich viel und schnell. Manchmal verzweifle ich fast an unseren langatmigen Prozessen, ich bin sehr ungeduldig. Aber Ärger ist das falsche Wort. Ich bin jemand, der sich nicht viel ärgert.

Weltwoche: Seit Anfang Jahr sind Sie Chef der Armee. Erzählen Sie von Ihrem Alltag – wie sieht der aus?

Süssli: Sehr vielseitig. Ich habe auch sehr viele Sitzungen. Mein Privileg ist, mit spannenden Menschen zu tun zu haben – auch aus Politik und Wirtschaft. In meinem Alltag geht es darum, Menschen von der Armee zu überzeugen.

Weltwoche: Wie überzeugen Sie Ihre 140 000 Soldaten? Was sind Ihre Führungsprinzipien?

Süssli: Es sind fünf V, mit denen ich führe. Das erste ist Vorbild, und da bin ich sehr streng mit mir. Ich überlege mir jeden Tag, wenn ich heimfahre, ob ich meinen Ansprüchen genüge. Häufig genüge ich nicht. Das zweite V lautet Vision, einen Endzustand vermitteln, der Herzen bewegt anstatt nur Köpfe. Wie ein Leuchtturm. Verständnis für die Mitarbeiter ist das dritte V. Man muss die Mitarbeiter verstehen, wissen, was sie fühlen und emotional bewegt. Wertschätzung gehört auch in diese Kategorie. Dann: Vertrauen. Ziele geben, aber auch machen lassen. Und das letzte V ist Verantwortung: Verantwortung übertragen, aber Resultate einfordern. Ohne Resultate geht nichts, gerade im Militär.

Weltwoche: Welche Funktion – vom Wachtmeister bis zu Ihnen – ist die wichtigste?

Süssli: Es tönt vielleicht unglaubwürdig, aber am Schluss ist es der Soldat, der die Arbeit macht. In den Spitälern, an den Grenzen waren vor allem die Truppen vorne, nicht die Kader.

Weltwoche: Sie befürworten flache Hierarchien. Vielleicht als Gegenfrage: Welches ist die unwichtigste Funktion?

Süssli: Die Armee ist ein Gesamtsystem. Eingespielt und eingeschliffen. Jeder, der im Einsatz steht, weiss, was er zu tun hat. Es braucht jeden.

Weltwoche: Wie soll Ihre flache Hierarchie dann aussehen?

Süssli: Ich will, dass alle mit Absicht führen: Die Chefs müssen ihren Unterstellten sagen, was sie beabsichtigen. Und dann sollen sich alle überlegen, wie man dieses Ziel erreicht. Ich will, dass die Verantwortung dorthin delegiert wird, wo die Informationen sind.

Weltwoche: Ist dies umsetzbar? Militär ist ja gleichbedeutend mit Hierarchie.

Süssli: Es braucht immer Hierarchie, klar. Flache Hierarchie heisst nicht, dass es keine Chefs mehr gibt. Wir nennen es «Auftragstaktik» oder «Führen mit Aufträgen». Es braucht Chefs. Die Frage lautet aber: Was ist die Aufgabe dieser Chefs? Ein Chef, der die fünf V berücksichtigt, erfüllt die flache Hierarchie, von der ich rede.

Weltwoche: Ist das nicht furchtbar ineffizient, wenn alle reinreden sollen?

Süssli: Es braucht zwei Phasen: diejenige vor dem Entscheid, in der ich möglichst viele Sichtweisen berücksichtigen will. Und die Phase danach. Dann gilt es, umzusetzen, was entschieden wurde.

Weltwoche: Führung in einer Krise: Was gilt es in einer Notsituation besonders zu beachten?

Süssli: Wir müssen den Leuten, die Entscheide fällen und diese ausführen, den Kontext geben, worum es geht. Als Chef geht es aber auch darum, Sorgen in Zuversicht zu verwandeln. Krisen sind düster. Und es gilt, eine klare Vision zu vermitteln. Wieder: wie ein Leuchtturm, der den Weg zeigt.

Weltwoche: Wie leiteten Sie den Corona-Kriseneinsatz im Frühling?

Süssli: Wir hatten jeden Morgen, um 10.10 Uhr, einen Conference Call, den «Commander’s Call», mit allen Kommandanten im Einsatz. Es ging darum, die politischen Informationen weiterzugeben, aber auch darum, die Vision zu schaffen, für was die Armee da ist: nämlich, dass das Gesundheitswesen wieder ohne sie auskommt.

Weltwoche: Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis aus den letzten Monaten?

Süssli: Dass die Armee eine lernende Organisation sein muss. Wir werteten unseren Frühlingseinsatz aus, mit einer «After Action Review». Daraus lernten wir viel. Der zweite Einsatz funktioniert jetzt ruhiger, es mussten weniger Leute aufgeboten werden.

Weltwoche: Wo sehen Sie in Zukunft die grösste Bedrohung für die Schweiz?

Süssli: Immer noch im Terrorismus, da hatten wir in den letzten Jahren Glück. Bei den Gefahren ohne eine Gegenseite steht das Wort «Pandemie» weit oben. Aus meiner Sicht ist ein Blackout die grösste Gefahr. Nur schon drei Tage ohne Strom wären verheerend. Denken Sie ans Gesundheitswesen.

Weltwoche: Viele fürchten sich vor China. Sie auch?

Süssli: Die Schweiz ist nicht so anfällig für Beeinflussungs- und Informationsoperationen. Unser Land ist heterogen, verflochten und stabil. Anfällig sind wir aber im Bereich der Wirtschaftsspionage. Schlimm wäre es, wenn man uns Wissen wegnimmt, mit Cyber-Angriffen.

Weltwoche: Wie gut ist die Armee im Cyber-Bereich gerüstet?

Süssli: Wir konnten über hundert IT-Spezialisten einstellen. Unsere Kompetenzen sind hoch. Es gibt jährlich eine Nato-Übung, da sind wir irgendwo im Mittelfeld. Wir müssen uns nicht verstecken.

Weltwoche: Wie holen Sie die besten IT-Leute, um die auch Tech-Giganten wie Google oder Facebook buhlen?

Süssli: Die Bezahlung muss fair sein, klar. Ich habe aber das Gefühl, die wirklich guten Leute sind intrinsisch motiviert. Sie kommen, weil sie einen grösseren Sinn in der Armee sehen und etwas für das Land machen wollen.

Weltwoche: Und trotzdem fehlen der Armee Bestände, rund 30 000 Mann am Ende des Jahrzehnts. Wie locken Sie den Nachwuchs?

Süssli: Wir müssen niemanden locken, sondern erklären, dass es bei uns Herausforderungen gibt, an denen man wachsen kann. Das sind Erfahrungen, die es sonst nirgends gibt, mit einem Touch Abenteuer. Und zuletzt: Der Dienst ist sinnvoll für die Schweiz. Das ist attraktiv. Jedes Jahr haben wir in den Rekrutenschulen mehr junge Menschen, die Grenadiere werden wollen, als wir nehmen können. Bei der Infanterie, den mechanisierten Truppen und Artilleristen ist es ähnlich.

Weltwoche: Wo fehlen Ihnen denn Leute?

Süssli: Überall ein bisschen. Es gibt kein konkretes Muster, wo Leute fehlen. Aber gerade nach der Rekrutenschule gehen zu viele Soldaten, die fertig ausgebildet sind, in den Zivildienst oder lassen sich untauglich schreiben. Unsere Herausforderung ist, wie wir sie halten können.

Weltwoche: Wie wollen Sie das anstellen?

Süssli: Wir müssen wieder erklären, was auf der Welt passiert und wie die Armee die Brücke schlagen kann, um Bedrohungen und Gefahren abzuwenden. Bei einem Blackout oder bei Terrorismus kann die Armee helfen und schützen. Auch bei bewaffneten Konflikten, da geht es darum, unsere Souveränität und Neutralität durch Machtdemonstration zu verteidigen. Ich glaube zudem, dass jeder Mensch irgendwo auch Struktur und Führung sucht. Es wird aber einen Kulturwandel brauchen, um mehr Menschen abzuholen.

Weltwoche: Was verstehen Sie unter diesem Kulturwandel?

Süssli: Die moderne Armee muss Sinn vermitteln. Darin soll Leadership gelebt und menschenorientiert geführt werden. Die moderne Armee muss auch eine digitale sein, die auf moderne Bedrohungen und Gefahren ausgerichtet ist. Und sie hat eine offene Kultur.

Weltwoche: Seit 2019 gibt es die Fachstelle Diversity. Wie uniform soll Ihre Armee der Zukunft sein?

Süssli: Unsere Chefin, Bundesrätin Viola Amherd, gab uns im Mai den Auftrag, eine Gender-Perspektive auszuarbeiten. Wir kamen auf das Motto: «Eine Schweizer Armee für alle». Unsere Vision ist eine Armee unabhängig von Geschlecht, Religion und Sprache. Eine Armee, die zulässt, dass nicht alle gleich sein müssen.

Weltwoche: Wie wichtig ist Ihnen, dass sich Ihre Soldaten wohl fühlen?

Süssli: Wohlfühlen hat zwei verschiedene Aspekte: Im Zentrum steht noch immer der Auftrag – ich weiss nicht, ob und wie man sich zum Beispiel in einem Biwak wohl fühlen kann. Das Wohlfühlen müssen wir in psychischer Hinsicht erreichen: Es geht um Integrität, die Menschen für voll nehmen und mit einbeziehen. Zu diesem Wohlfühlen sage ich ja. Rein körperlich bleibt das Militär anstrengend.

Weltwoche: Zur «Armee für alle» publizierten Sie einen Beitrag auf Ihrem «Chef der Armee»-Blog. Schreiben Sie diese Texte selber?

Süssli: Ja, es sind meine Ideen und Konzepte.

Weltwoche: Sie schrieben, dass die Armee für Menschen ohne Schweizer Pass offen sein solle.

Süssli: Im Armee-Umfeld, ja. Etwa in der Logistik, der Informatik oder anderen zivilen Bereichen. Nicht aber im bewaffneten Dienst der Milizarmee.

Weltwoche: Wie schweizerisch muss Ihre Armee sein?

Süssli: Sehr schweizerisch. In der Berufswelt arbeitet ein Drittel Menschen ohne Schweizer Pass. Das ist unsere Schweiz. Dass die bewaffnete Milizarmee aus Schweizerinnen und Schweizern besteht, ist klar. Das bleibt. Dass es aber im Umfeld dieser Armee Aufgaben gibt, die ein Bürger ohne Schweizer Pass machen kann, ist heute bereits so, nur nicht systematisch. Migranten arbeiten an IT-Projekten, ausländische Dozenten in der Militärakademie.

Weltwoche: Ein Thema sind auch Frauen in der Armee: Wie weiblich muss Ihre Armee sein?

Süssli: Am liebsten so weiblich wie die Gesellschaft. Wir sind das Spiegelbild der Gesellschaft.

Weltwoche: Also fifty-fifty?

Süssli: Am liebsten wären mir 50 Prozent, ja. Frauen haben eine besondere Motivation, sie denken anders. Das brauchen wir, ich will möglichst viele Perspektiven. Und dann tun sie uns Männern auch einfach gut, das tun sie jeder Männergruppe.

Weltwoche: Welche Rolle spielt das Geschlecht in der Armee?

Süssli: Ich hoffe, in Zukunft gar keine mehr. Heute sind schon alle Funktionen offen für Frauen. Wir haben gute weibliche Vorbilder: eine Frau Divisionär, zwei Bataillons- und eine Infanteriekommandantin, eine Kampfjetpilotin. Diesen Weg müssen wir weitergehen, bis Frauen in der Armee selbstverständlich sind.

Weltwoche: Sind Sie der Meinung, dafür braucht es die allgemeine Wehrpflicht?

Süssli: Das ist eine gesellschaftliche, politische Diskussion. Wir hätten gerne mehr Frauen. Wenn die allgemeine Wehrpflicht die Lösung dafür ist, ist das für uns eine gute Lösung.

Weltwoche: Wegweisend war der 27. September, als das Volk ja sagte zu neuen Kampfjets. Das Resultat war aber hauchdünn. Ein Misstrauensvotum. Wären Sie heute bereit, um bei einer Grundsatzabstimmung – Armee: ja oder nein – in den Ring zu steigen?

Süssli: Jederzeit bereit!

Weltwoche: Wirklich?

Süssli: Wenn wir eine Armee haben, die eine Mehrheit nicht will, ist es nicht die Armee, die ich will. Dann haben wir unseren purpose, den Sinn, nicht. Dieser Diskussion würde ich mich sofort stellen!

Weltwoche: Denken Sie, das würde gut herauskommen?

Süssli: Ja, klar!

Weltwoche: Im Kampfjet-Abstimmungskampf überliessen Sie das politische Zepter Bundesrätin Amherd. War das ein bewusster Entscheid?

Süssli: Ja, die Armee hat einen Auftrag von der Politik, macht aber selber keine.

Weltwoche: Darf man fragen, wo Sie politisch stehen?

Süssli: Das kann man schon fragen.

Weltwoche: Und?

Süssli: Ich war mal in einer Partei, aber heute passe ich in keine mehr. Ich habe meine eigene Ausrichtung. Mir sind Werte wie Eigenverantwortung und Demokratie wichtig. Ich bin liberal.

Weltwoche: Sind Sie grünliberal?

Süssli: Eigenverantwortlich-liberal.

Weltwoche: Was fasziniert Sie am Militär?

Süssli: Ich diente 28 Jahre lang als Milizoffizier. Mich begeisterte immer, mit Menschen etwas zu erreichen. Das zieht sich durch meinen Lebenslauf, das fing in der Pfadi an und ging im Beruf weiter. Von der Finanzindustrie wechselte ich ins Berufsmilitär wegen des purpose, wegen des Sinns. Etwas für die Schweiz zu tun, für deren Sicherheit, reizte mich.

Weltwoche: Wie lautete Ihr Pfadi-Name?

Süssli: Bei den Wölfli, der Pfadi-Vorstufe, hiess ich «Rakete», weil ich klein und tifig war. Ich kam dann früh in die Pfadi, war immer noch sehr klein und hiess darum «Souris». Ich erinnere mich an viele Lager. Später war ich Gruppenführer und half mit, Lager zu organisieren.

Weltwoche: An was erinnern Sie sich sonst, wenn Sie an Ihre Jugend denken?

Süssli: Ich bin in Feldmeilen geboren und wuchs in Küsnacht auf, am Zürichsee. Der See kommt mir sofort in den Sinn, wenn Sie mich nach meiner Kindheit fragen. Als Kind und Jugendlicher war Zaubern mein grosses Hobby, ich wollte Zauberer werden.

Weltwoche: Warum wurden Sie Sanitäter?

Süssli: Mein Vater war Panzersoldat, im Centurion-Panzer. Meine Aushebung war 1985, und ich wollte unbedingt Panzersoldat im Leopard-Panzer werden. Ich holte das Sportabzeichen und schrieb «Panzersoldat» auf den Wunschzettel. Der Aushebungsoffizier sagte mir dann: «Süssli, Sie sind viel zu gross, Sie müssen etwas anderes machen.»

Weltwoche: Sie passten nicht in den Panzer?

Süssli: Genau. Er schlug mir ein paar Truppengattungen vor, und Sanitätssoldat fand ich interessant. Auch weil ich dafür ins Tessin musste. Dazu lernte ich etwas, was ich im Leben anwenden konnte.

Weltwoche: An Ihnen haftet, nicht aus einer Kampftruppe zu sein: Schiessen Sie trotzdem gut? Haben Sie das Schiessabzeichen?

Süssli: Ja, hier, schauen Sie. (Lacht)

Weltwoche: Haben Sie eine Lieblingswaffe?

Süssli: Nein, aber ich finde Pistolenschiessen faszinierend. Auch mit dem Sturmgewehr habe ich schon geschossen. Für mich sind Waffen aber Werkzeuge, ich habe keine Lieblingswaffe.

Weltwoche: An was erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihre Rekruten- und Offiziersschule denken?

Süssli: Ich weiss noch, als wir – ich mit 25 Mann – an der Melezza standen, vor dem Fluss in Losone. Ich sagte: «Mir nach, marsch!», und rannte ins Wasser. Es war, um auszuprobieren, ob sie mir folgten. Den Moment, als alle in den Fluss rannten, werde ich nie mehr vergessen.

Weltwoche: Sie arbeiteten jahrelang bei Schweizer Banken, für die Vontobel-Bank gingen Sie nach Singapur. Wie erlebten Sie Asien?

Süssli: Was mir von Singapur, von Asien am meisten blieb, ist das Verhältnis der asiatischen Staaten zu China: das immer bessere Verständnis, was China ist. Und: die Erkenntnis, dass das 21. Jahrhundert das asiatische ist.

Weltwoche: Wie verstehen Sie China?

Süssli: Ich bin kein China-Versteher, das Land ist so komplex. Interessant ist, dass die Chinesen in ein Ganzes integriert sein wollen – und sich damit wohl am meisten von uns unterscheiden. Aber auch der Mittelstand ist unglaublich, 700 bis 800 Millionen Menschen, die konsumieren wollen. Chinas Herausforderung ist, dieser Masse Ressourcen zu sichern. Ich merkte, dass die Machtpolitik der Wirtschaftspolitik folgt und nicht umgekehrt.

Weltwoche: Die NZZ beschrieb Sie als «weltgewandten Manager». Stimmt das?

Süssli: Ein bisschen, ich konnte beruflich und privat viel reisen. Ich kenne die USA, arbeitete in London, betreute Kunden in Südamerika und Asien. Ich würde mich als weltoffen bezeichnen. Ich gehe überall hin, mich faszinieren fremde, kulturell ganz andere Länder – Japan zum Beispiel. Oder Libyen, da war ich mal für ein Projekt.

Weltwoche: Und wie sehen Sie die Schweiz?

Süssli: Es stehen Werte im Zentrum, die uns zusammenbringen. Wir haben ja nicht mal eine Sprache, die uns eint. Wir sind eine Willensgemeinschaft. Viele Werte, die sich bewährt haben, stammen noch aus den Gründungsjahren: Demokratie und Eigenverantwortung, in der Politik mitgestalten und Verantwortung übernehmen wollen. Oder auch die Qualität, dass wir gerne pünktlich sind.

Weltwoche: Sie sind verheiratet und Vater von zwei Töchtern, 21- und 23-jährig: Wie organisierten Sie die Kindererziehung und -betreuung?

Süssli: Meine Töchter, die jetzt in einer WG wohnen, waren manchmal ganz froh, wenn der Alte nicht da war. Ich hatte aber nicht immer den jetzigen Rhythmus, vierzehn bis sechzehn Stunden sind heute nicht aussergewöhnlich. Ich habe Glück, eine sehr verständnisvolle Frau zu haben. Wenn ich daheim bin, versuche ich, gedanklich voll da zu sein, zuzuhören und Zeit zu haben.

Weltwoche: Was würden Ihre Töchter über Sie sagen? Was haben Sie ihnen mitgegeben?

Süssli: Meine Werte – etwa zu sagen, wenn man etwas nicht gut gemacht hat, zu Fehlern zu stehen. Aber auch den richtigen Weg gehen, auch wenn er nicht der einfachste ist.

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